Tipp 9: Wie schreibe ich das perfekte Buch?

Man nehme ein bisschen Liebesgeschichte, ein bisschen Fantasy, ein bisschen Action, würze es mit ein paar spannenden Figuren, rühre ein paar schöne, ausgefeilte, literarisch hochstehende Sätze zusammen – und schon hat man das perfekte Buch! 🙂
Schön wär’s.
So sehr Du Dir auch wünschst, das perfekte Buch zu schreiben – ich habe eine sehr, sehr schlechte Nachricht für Dich: Es wird leider nie perfekt sein. Aber lies trotzdem weiter – denn ich habe am Ende auch noch eine gute Nachricht für Dich!
Jedesmal, wenn ich dem Verlag ein Manuskript abgebe – das in meinen Augen natürlich erst mal perrrrfekt ist und nur so funkelt und glänzt – fallen die „bösen“ Lektoren darüber her wie reissende Wölfe und fördern die ganzen Fehler zutage, die ich verbockt habe, streichen mitunter sogar Passagen, die ich für so gelungen hielt und ersetzen meine ach so ausgeklügelten Wörter mit irgendwas, das meiner Meinung nach nicht annähernd den Kern der Sache trifft … ich übertreibe nun absichtlich 😉 Aber Du verstehst sicher, was ich meine. Leider muss ich dann etwas später zu meiner Beschämung oft eingestehen, dass die Lektoren hin und wieder eben doch recht hatten …
Je öfter ich dann den Text mit den Lektoren durchgehe, umso mehr Unstimmigkeiten fallen mir selber auf – und ach, dieses hab ich noch vergessen – und jenes auch noch, und diesen Satz möchte ich noch einfügen … am liebsten möchte ich eigentlich gleich die ganze Geschichte nochmal umschreiben! Zum Schluss muss man mich fast buchstäblich mitsamt dem Buch schreibend zur Druckerei tragen, damit ich noch bis zum allerletzten Augenblick an der Geschichte feilen kann 😉
Und dann? Dann ist das Buch endlich in der Druckerei, und ich wälze mich schlaflos im Bett und grüble über all die Sätze nach, die ich trotz aller Sisiphusarbeit doch noch vergessen habe; ich zerbreche mir den Kopf über die Frage, ob man die eine oder andere Passage vielleicht doch missverstehen könnte … und ob dieses oder jenes eventuell etwas übertrieben war. Und schon tauchen die Kritiker vor meinem inneren Auge auf – schon wieder so eine Horde böse reissende Wölfe! Ich sehe schon Rezensionen vor mir wie: „… an einigen Stellen übertrieben und unrealistisch…“… “ Autorin hätte besser recherchieren sollen…“ … und so weiter.
Nun, es gibt solche Kritiken, aber das ist ein anderes Thema, denn: In Tat und Wahrheit fallen die meisten Kritiken viel netter aus.
Unser schlimmster und fiesester Kritiker sind nämlich immer noch wir selber! Oh, ich möchte lieber nicht von mir selber kritisiert werden … denn dann würde ich gleich alle meine Bücher auf dem Scheiterhaufen verbrennen und nochmals ganz von vorne anfangen! 😉 (Natürlich übertreibe ich wieder ein bisschen.) Doch ich glaube nicht, dass einige Leser besonders glücklich wären, wenn ich Maya und Domenico anders schreiben würde, als ich es geschrieben habe …  ausser, ich würde vielleicht Mingo vor dem Sterben bewahren … kleiner Scherz nebenbei 😉
Du siehst: So sehr ich mich also auch bemüht habe, DAS perfekte Buch zu schreiben – es ist mir wieder nicht gelungen.
Aber nächstes Mal. Nächstes Mal mache ich es garantiert besser…
Aber nun kommt noch eine zweite schlechte Nachricht: Es wird auch das nächste Mal wieder genau so sein. Du wirst auch das nächste Mal, wenn Du nach ein paar Wochen auf Deine Arbeit zurückblickst, wieder tausend und abertausend Fehler entdecken und Dir wünschen, Du hättest damals schon gewusst, was Du heute weisst. Doch genau diese schlechte Nachricht beinhaltet gleichzeitig auch die gute Nachricht: Wenn dem NICHT so wäre, dann bedeutet es, dass Du irgendwo in Deiner Entwicklung stehengeblieben bist.
Ha! Das ist doch mal eine tolle Ausrede, oder??
Ist es nicht. Glaub mir: Es ist sogar gesund, seine eigene Arbeit nach einer Weile nicht mehr als perfekt zu empfinden. Und wenn dem so ist, dann kann ich Dir nur gratulieren: Du bist gewachsen, bist besser geworden, professioneller.
Du hast ein neues Level erreicht.
Du weisst heute mehr, als Du gestern gewusst hast.
Und da nach oben noch viel Raum ist und Perfektion sowieso nie erreicht werden kann, darfst Du gern auch immer weiter wachsen! 😀
Der Apostel Paulus schreibt das auch so schön: „Ich vergesse, was hinter mir ist und strecke mich aus nach dem, was vorne ist (in eigenen Worten zusammengefasst)“. Er kannte genau dieses Problem, mit dem wir doch alle zweitausend Jahre später immer noch zu kämpfen haben.
Ich mag übrigens auch den Satz von Søren Kierkegaard:
Man kann das Leben nur vorwärts leben. Aber man kann es nur rückwärts verstehen.
Wie wahr …
Letzte Änderung: 22. Februar 2018